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Mont Aiguille

Auf einer der ältesten alpinen Routen auf den Mont Aiguille

09.09.2018

…ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich vor einigen Jahren einen Bildband mit den schönsten Alpengipfeln in den Händen hielt und die Seite mit dem Foto eines einzigartigen „Tafelbergs“ aufschlug. Ab diesem Augenblick ließ mich die Faszination für diesen Berg nicht mehr los. Doch da war ich nicht der erste, dem es so erging.

Als nämlich im Jahre 1490 der französische König Karl VIII mit seinen Mannen an den Westalpen entlang reiste, erblickte auch er diesen wunderschönen Berg, der mit seinen nach allen Seiten steil abfallenden Felswänden nahezu unbesteigbar aussah und deshalb von den Einheimischen auch „Mons Inascensibilis“ genannt wurde. Da sich seinem Willen aber alles unterwerfen musste, so auch dieser abweisende Berg, befahl er dem Führer seiner Truppe diesen zu bezwingen. Mit seiner ganz eigenen Taktik, wie er sie bislang bei der Bezwingung von hohen Wehrtürmen erfolgreich einsetzte, bestieg Antoine de Ville mit Hilfe von Leitern, Seilen und Eisenhaken am 26.06.1492 mit einer kleinen Gruppe von Soldaten den Mont Aiguille durch die Nordwestflanke.

Der Plan unserer Sektionstour war jedoch nicht, diese nun über 500 Jahre alte Route mit Holzleitern zu besteigen, sondern eher im klassischen Freiklettern. Als eine Art besonderer Herausforderung wollten wir stattdessen auf dem Gipfel des Mont Aiguille biwakieren. Und dafür war auch etwas mehr Gepäck erforderlich.

Gut vorbereitet und jeder mit seinen ganz eigenen Erwartungen an die Tour, trafen sich sechs der acht Teilnehmer am Freitagmorgen bei Lando, der uns noch mit einem Frühstück anlässlich seines Geburtstages überraschte. Gut gestärkt absolvierten wir die leider sehr weite Anreise trotzdem ohne Verzögerungen und konnten so schon am frühen Nachmittag Kaffee und Kuchen auf dem kleinen Zeltplatz von Saint Martin de clelles genießen. Das Wetter zeigte sich nach dem Regen am Morgen nun schon von seiner besten Seite. Kurze Zeit später stießen dann auch Ruth und Thomas zu uns, die in der Woche davor schon viele Eindrücke bei Ihren Wanderungen in den Bergen des Vercor sammeln konnten.

Nach dem Aufbau unserer Zelte brachen wir zum gemeinsamen Abendessen in der Nähe auf. Lando hatte mit seinem Spürsinn für das Besondere ein stilvolles Restaurant in einem Chateau in Chichilliane ausfindig gemacht und Plätze für uns reserviert. Zudem lag es so perfekt, dass wir vorab noch einen wunderschönen Blick zu den steilen Südwänden des Mont Aiguille genießen konnten.

Am nächsten Morgen machten wir uns nach kurzer Anfahrt dann endlich auf den Weg. Von Süden her folgten wir einem recht steilen Pfad. Dieser ließ uns schnell an Höhe gewinnen und so erreichten wir bald den Col Aupet auf ungefähr 1600 m Höhe und konnten erstmals unsere Aufstiegsroute in der Nordwestflanke ausmachen. Diese Wände sahen schon wesentlich einladender aus, als der überhängende Fels der Südseite. Aufgrund unseres guten Vorankommens sollte es eine ausgedehntere Mittagspause vor dem Einstieg werden. Doch die große Anzahl eintreffender Seilschaften ließ uns diesen Plan schnell wieder verwerfen, was uns noch zugutekommen sollte.

So reihten wir uns ein und folgten den voransteigenden Seilschaften auf dem für uns ebenfalls logischen Routenverlauf. Allerdings mit der wachsenden Erkenntnis, dass irgendetwas nicht ganz zusammenpasste und es sich bei einigen Stellen nicht mehr um einen reinen „Dreier“ handeln konnte. Des Rätsels Lösung fanden wir nach der Fünften Seillänge, als wir auf die Seilversicherung des Normalweges trafen, die von weiter rechts kam. Ab hier ging es schon wieder wesentlich einfacher aufwärts, allerdings hatte uns der Stau davor sehr viel Zeit gekostet. Die Kletterei war wunderschön und nie zu schwer, was angesichts des „Übergepäcks“ auch gut war. Trotz allem war es ein sehr alpiner Anstieg, woran uns auch die herabschießenden Steine der voraussteigenden Seilschaften immer wieder erinnerten. Schließlich erreichten auch unsere beiden Dreierseilschaften mit reichlich Abstand zu unserer starken Zweierseilschaft das Gipfelplateau. Die Freude über das bis dahin Erreichte, das phantastische Panorama und das super Wetter stand in diesem Moment allen förmlich ins Gesicht geschrieben.

Nach kurzer Pause rafften sich dann alle nochmals zu einem kleinen entspannten „Gipfelspaziergang“ über die Wiese auf. Das Stehen nahe der teilweise überhängenden Felskante war nicht jedermanns Sache. Aber ein paar Mutige riskierten zumindest liegenderweise einen Blick in die saugende Tiefe. Ein absolut großartiges Schauspiel war auch, den Schattenwurf des Mont Aiguille weit entfernt im Tal wiederzufinden.

Nachdem jeder einen Biwakplatz gefunden und sich für die Nacht eingerichtet hatte, ging es an die Zubereitung des Drei-Gänge-Menüs für diesen Abend – zwei Tüten „traveller lunch“ als Vor- bzw. Hauptspeise und ein Müsliriegel zum Dessert. Sicher nicht ganz so ausgewogen wie das Menü des Vorabends, aber gefühlt genauso lecker. In diesem Moment des Sonnenuntergangs war das Essen eh nur noch Nebensache, da so gut wie alle anderen Sinne bereits befriedigt waren (Bemerkung eines Teilnehmers: „… jetzt wird es fast schon ein bisschen kitschig!“). Und so wurde es dann auch, als eine sternenklare Nacht bei Neumond hereinbrach und uns erste Sternschnuppen schenkte. Die Realität holte uns aber spätestens mit der beginnenden, starken Taubildung wieder ein.

Unser Plan am darauffolgenden Tag sah vor, bei Kaffee und Frühstück den Sonnenaufgang zu genießen und danach dann abzusteigen und abzuseilen. Während unseres gemeinsamen Frühstücks in den ersten wärmenden Sonnstrahlen des Tages kletterten auch die ersten Steinböcke aus dem Tal auf. Ob die auch den Normalweg genommen haben?

Der Abstieg startete zunächst mit einer leichten Kletterei, welche wir mit einem Fixseil versicherten und führte uns dann durch ein Couloir, durch das wechselweise abgestiegen und abgeklettert werden musste. Da wir nicht ganz allein auf dem Mont Aiguille übernachtet hatten, waren mit uns natürlich auch andere Seilschaften am Morgen auf dem Rückweg vom Berg. Hier galt nun besondere Vorsicht, in dem instabilen Gemenge des Couloirs keine Steine loszutreten, da zudem der trichterförmige Auslauf dieser Rinne geradewegs in die erste kurze Abseilstelle mündete. Nach dieser gab es eine noch eindrücklichere fast 60 m lange Abseilstelle in einen Kamin hinein. Dieser war allerdings breit genug, sodass keiner mit seinem schweren Rucksack steckenblieb. Allerdings machte auf dieser langen Abfahrt manchem der ungünstige Schwerpunkt (…mit dem Rucksack) zu schaffen, sodass diese finale Abseilstelle nochmals richtig Arbeit bedeutete. Schließlich brachte uns ein leichter Pfad, der noch durch ein kleines Felslabyrinth am Fuße des Mont Aiguille führte, zurück bis fast zum Einstieg des Vortags. Fast 24 Stunden waren seit dem Einstieg vergangen und es gab in dieser Zeit unendlich viele Erlebnisse.

Glücklich darüber, dass der schwierigste Teil der Tour sehr gut verlaufen war, machten wir uns ohne Pause auf den Rückweg ins Tal. So konnten wir im Talort Richardiere auf der Terasse eines urigen kleinen Cafes noch gemütlich die Tour bei Kaffee und Kuchen ausklingen lassen und uns unsere Eindrücke austauschen.

Rückblickend war es für alle sicher eine schöne Tour mit vielen unvergesslichen Eindrücken. Vielen Dank an alle Teilnehmer, die mich bei den Vorbereitungen und bei der Durchführung bestens unterstützt haben! (…und natürlich für den guten Wein, von dem ich gerade das letzte Glas leere und sehnsüchtig zurückdenke!)

Mit dabei waren Ruth, Anja, Andreas, Thomas, Roland, Lando, Hubertus.