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Perlen im südlichen Bergell

12.08.2012

Als wir am Dienstag, den 7. August 2012, durch das Val Masino nach Bagni di Masino fuhren kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Thomas brachte es auf den Punkt – „das sieht aus wie im Yosemite Valley“. 

Links und rechts des Tals hohe und steile Granitflanken, haufenweise Granitblöcke und Boulderer mit ihren Crahspads und überall Kletterer, teilweise noch im 70er Jahre-Look mit langen Bärten und bloßem Oberkörper. Kein Zweifel, die Region ist eine Oase für Kletterer.

Wir machten uns auf den langen aber landschafltich eindrücklichen Aufstieg zum Rifugio Gianetti, die wir nach dreieinhalb Stunden erreichten. Hier erwartete uns wieder eine neue Landschaft, nämlich eine Reihe Granitriesen mit klingenden Namen wie Piz Badile oder Piz Cengalo.

Wir konnten es kaum erwarten, am nächsten Tag die erste alpine Kante zu klettern. Wir entschieden uns für die „Spigolo Vinci“, der Südkante auf die Punta Angela, den Vorgipfel des Piz Cengalo. Rauer Granit, fester Fels, gutmütige Risse und hervorstehende Chickenheads – diese Tour zählt zweifelsohne zu einer der schönsten Routen in der Region.

Mit Kletterschwierigkeiten bis zum Grad 6+ forderte die alpine Klettertour einen sicheren Vorstieg, um diese genießen zu können. Unsere Befürchtungen, dass Herr Merizzi alle Standhaken abgeschlagen hat und wir durch den Standplatzbau viel Zeit verlieren würde erwiesen sich als überzogen. Wir fanden auf der Tour zwar einige abgeschlagene Standhaken, jedoch waren sämtliche Stände mindestens mit 2 Schlaghaken ausgestattet und konnten problemlos verbessert werden.

Da sich am Gipfel eine graue Wolkensuppe zusammenbraute entschlossen wir uns, auf den Cengalo Hauptgipfel zu verzichten und statt dem Fußabstieg die Abseilpiste zu nehmen. Wie im Topoguide prophezeit verhängte sich gleich in der ersten Abseillänge das Seil, die Situation konnte jedoch von Tobias schnell wieder bereinigt werden.

Am Donnerstag wagten wir uns an die nächste Perle heran, der Südkante „Spigolo Mauri Fiorelli“ auf die Punta Torelli. Der Einstieg führte über ein 30 Grad steiles Firnfeld, das trotz der südlichen Lage noch gefroren war. Die ersten beiden Seillängen stiegen wir gleitend am verkürzten Seil auf. Die Routenfindung war im Vergleich zur benachbarten Vinci-Kante etwas schwieriger, die Linie jedoch genauso schön. Die Kletterschwierigkeiten waren mt 5+ etwas geringer, jedoch die Absicherung auch entsprechend spärlicher.

Im Abstieg mussten wir vom Gipfel bis zum Parkplatz in Bagni di Masino etwa 2000 m im Abstieg bewältigen, eine herbe Belastung für unsere Knie…

Am Abend schlugen wir am Eingang zum Val di Mello am Zeltplatz „Ground Jack“ unsere Zelte auf. Dieser einfache Zeltplatz ist im Ort nicht ausgeschrieben und wird daher nicht von Campingwagen oder Wohnmobilen angesteuert, dort sind die Kletterer unter sich.

In San Martino di Masino suchten wir eine Pizzeria. Hier und da waren Slacklines gespannt, aufgeklappte Crashpads an Mauern dienten als Sitzplätze und wir fühlten uns einfach wohl.

Die Planung für den nächsten Tag war, die Kundalini zu klettern. Dieser Megaklassiker im Val di Mello führt in 9 Seillängen auf den Dimore degli Dei und weißt obligatorische Kletterschwierigkeiten bis 6+ auf. Da Olli im Abstieg vom Punta Torelli mit dem Fuß umgeknickt war und der Rest der Gruppe auch noch müde von den vorausgehenden Touren war, entschlossen wir uns für gemütlichere Touren an den Platten „Placche del Giardino“. Hier erlebten wir unser blaues Wunder. Wir konnten gerade einmal die leichteste Tour im Grad 5b klettern, bei allen anderen Routen konnten wir nicht einmal den ersten Haken erreichen. Auch die Beschreibung im Führer, dass es sich um den meist frequentiertesten Fels im Val di Mello handelte konnten wir nicht so recht glauben, da außer uns sich niemand dorthin verirrt hatte.

Etwas frustriert änderten wir unseren Standort und fanden am Sasso Remenno lohnende und gut abgesicherte Sportkletterrouten. Hier tummelten sich viele Seilschaften und wir wurden für den Frust im Val di Mello ausreichend entschädigt.

Abschließend betrachtet durften wir im Bergell eine aussergewöhnlich schöne Kletterausfahrt in einer einzigartigen Umgebung erleben.

Mit dabei waren:

Tobias de Jager, Oliver Rosenhahn, Thomas Häcker, Oliver Mohrlok