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Alpine Klettertour: Delagokante (4+)

14.06.2009

Am 11. Juni treffen sich 4 Kletterer des Alpenvereins der Sektion Freudenstadt zu einem alpinen Abenteuer in den Dolomiten. Auf heiterer Fahrt durch wechselhafte Wetterbedingungen erreichen wir gegen frühen Nachmittag den Talort Pera di Fassa und nach kurzer Fahrt im Minibus das Rifugio Gardeccia (1950 m) im sonnigen Rosengarten der Dolomiten, wo wir auch die folgenden Nächte verbringen werden.

Ausgerüstet mit Steigeisen und Eispickel im Gepäck sind wir auf winterliche Verhältnisse eingestellt. Kurzentschlossen machen wir uns noch am selben Tag auf, um unser Ziel aus der Nähe zu begutachten, die 3 südlichen Vajolettürme im Rosengarten. Weit weniger bekannt sind die 3 nördlichen Vajolettürme, die von Kletterern auch wenig begangen werden. Auf dieser ersten Erkundungstour klären sich die Fragen im Bezug auf die Schneeverhältnisse positiv und wir beschließen die Eisausrüstung am folgenden Tag nicht als unnötigen Ballast mitzuschleppen.
Die 3 exponierten Vajolettürme haben große touristische Bedeutung und ziehen im Sommer Massen von Bergwanderern und Kletterern an, wodurch sich die große Dichte an Berghütten erkärt, die jedoch jetzt im Juni mit Ausnahme von Winterräumen noch kein Quartier anbieten.

 So starten wir am Freitag hoch motiviert von der Gardeccia-Hütte zu einem der bekanntesten Kletterziele in den Kalkalpen und nehmen dafür etwa 700 m Höhenmeter gerne in Kauf. Vorbei an der schönen Preuss-Hütte (2243 m), die nach einem bekannten Kletterpionier der Dolomiten benannt ist, genießen wir kurz den Ausblick auf den höchsten Berg der Rosengartengruppe, dem Kesselkogel (3002 m) und erreichen die Gartl-Hütte (2621 m) mit Kalenderblick auf die Vajolettürme. Von links nach rechts, West nach Ost, sind es der Delago- (2790 m)- Stabeler- (2805 m) und Winklerturm (2800 m). Bei strahlend blauem Himmel erkennen wir im Westen die Marmolada (3343 m) mit ihrer imposanten Süd- und der vergletscherten Nordwand.

Von der Gartlhütte gelangen wir in einer Viertelstunde zum Einstieg der Route „Delagokante“ auf einem breiten Band. Die Kante des Turms wurde bereits im Jahr 1911 von Hermann Delago erstbegannen und schafft es im Juli 2009 noch auf die Titelseite einer modernen Kletterzeitschrift, mit anderen Worten, ein echter alpiner Klassiker. In Wechselführung bilden wir Zweierseilschaften, wobei die beiden Oliver in der ersten Seilschaft klettern, um Namenskonflikte zu vermeiden, gefolgt von Michael und Sven.

Oli in der ersten Seillänge

Ab der zweiten Seillänge erreichen wir die luftige Kante und können den exponierten Blick in die Tiefe genießen. In der zweiten Seillänge finden wir auch die im Führer erwähnte "etwas abgespeckte Kante" vor, doch ist die Linienführung klar und ausgesprochen schön.

An der scharfen Kante macht uns ein eisiger Wind zu schaffen, wodurch wir froh über Handschuhe und warme Mützen sind. Nach 4 ½ Seillängen erreichen wir den Gipfel des Delagoturms.

Dort werden wir durch einen grandiosen Blick auf Glockner-, Venediger-, Zillertaler-, Stubaier-, Ötztaler und Ortlergruppe belohnt, die gut zu erkennen sind.

Nach Gipfelbild schließt sich eine eindrucksvolle Abseilfahrt über 4 Abseilstellen an. In Anbetracht der verstrichenen Zeit wird schnell klar, dass die geplante Überschreitung aller 3 südlichen Vajolettürme nicht möglich ist. Daher beschließen wir die Tour an dieser Stelle abzubrechen und stattdessen nicht auf das verdiente Abendessen in der Gardeccia-Hütte zu verzichten. Im Abstieg vorbei an der Vajoletthütte bietet sich wiederum der Ausblick auf die Rosengartenspitze und im Süden die Latemargruppe.

Am Folgetag treten wir die Heimfahrt an und blicken mit ein wenig Wehmut zu den 3 Gipfeln der Vajolettgruppe zurück. Fasziniert vom Anblick der weißen Kalkriesen wird uns klar, warum die Unesco im Juni 2009 beschlossen hat, die Dolomiten in die Liste des Weltnatur- und Kulturerbes aufzunehmen und sind uns sicher – wir kommen wieder!