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Besteigung des Dente del Gigante

27.08.2017

Am 23. August traf unsere Nachhut auf dem Campingplatz im wundervollen Val Veny bei Courmayeur ein. Die Männer waren da !!! Meiner Lieben war glaub nicht ganz wohl und sie befürchtete, von nun an den „Hirschen“ hinterher springen zu müsssen

So, so, der Mann der Hirsch! Hmm, glaub eher, der Mann – der Gockel ! Doch selbst dieses stolze Tier muss manchmal Federn lassen! Aber nun von Anfang an. Die komlette Truppe für den Dent du Geant, den Zahn des Riesen, oder viel schöner, da eh von Italien aus bestiegen, der Dente del Gigante (40134 m) und dem Arete de Rochefort mit dessen Aiguille (4001) und Dom (4013) de Rochefort bestand aus Sven Springwald, Rolf Eberhardt, Lando Huber Denzel, Ellena Beck und Oliver Dorka. Da die zwei letzt genannten dieses Jahr noch nicht so arg viel in der Höhe unternahmen, fuhren sie ein paar Tage früher los, um sich gemütlich zu akklimatisieren. Wir gingen nicht hinauf auf den höchsten Berg der Alpen, wir gingen unter ihm hindurch. Unterschritten ihn sozusagen. Wie eben die meisten Menschen, welche dem Mont Blanc nahe kommen.Wir fuhren hinüber nach Chamonix, durch den Tunnel, denn ich wollte Ellena unbedingt dieses Ambiente zeigen. Dieses Ambiente war dann schrecklicher als vorgestellt! Menschen ohne Ende. 99 % Touristen. Also nichts gegen diese Spezies, aber wir sind hier schließlich im Bergsteiger-Mekka !!! Was machen all die Touries hier ??? Hoch zur Aiguille de Midi mit der Bahn, wie wir eben auch. Wir wollten doch heute noch den Cosmique Grat und morgen den Midi-Plan-Grat machen. Aber das war zuviel, wir fühlten uns unwohl in dieser Menge. Ok, Programmänderung – die Menschenmenge auf dem Platz vor der Kasse der Bahn ist erdrückend. Wir lassen das mit dem Midi-Plan-Grat. Laufen heute dafür vom Dorf hinauf nach Montenvers, immerhin auch ein paar Höhenmeter und zur Belohnung der Blick auf die Petit Drus, Aig. Verte, … und nehmen dann morgen in der Früh die erste Bahn um 6.30 Uhr. Unser Plan ging ziemlich auf. Mit einer der ersten Bahnen ließen wir uns hinauf katapultieren – hinauf auf die Aig. Du Midi auf über 3800 m. Liefen dann praktisch im Halbkreis zur Hälfte um sie herum bis zum Biwak Abri Simond und kletterten über den Cosmique Grat wieder auf sie hinauf. Dann: Menschenmenge – Gondel – Tal. Gut, der Cosmique ist wunderschön zu klettern, wahnsinns Aussicht auf sämtlicher 4000er des Gebiets und außer uns nahmen wir nur zwei weitere Seilschaften wahr. Auch eine Seltenheit hier. Aber wie gesagt, Chamonix war voller Touristen. Nach kurzem schlendern duch Chamonix entflohen wieder der Menschenmasse und zogen uns auf unseren Campingplatz im Val Veny zurück.

Einfach herrlich diese Idylle, diese Ruhe. Die Aiguille Noire de Peuterey zieht den Blick magisch an und läßt uns von großen Touren träumen, welche von dieser Seite des Berges hinauf auf dessen Gipfel ziehen – Peutereygrat – Innominatagrat – Brouillardgrat. Alles sehr, sehr lange und klassische Anstiege auf den höchsten Berg der Alpen. Die Länge dieser Anstiege ist die Crux, nicht etwa die technischen Schwierigkeiten. Hier sollte das Wetter und die Verhältinisse 2-3 Tage passen, sonst hat man ein Problem. Diese Art von Bergsteigen hat mit, wie wir es tauften, unserem „Gondelalpinismus“ überhaupt nichts zu tun. Es ist noch ehrliche Bergsteigerei. Wie dem auch sei, um uns vor dem Eintreffen der Anderen noch ein wenig zu bewegen, gingen wir noch über eine Art Klettersteig hoch zum Rifugio Monzino, von wo aus man in alle drei dieser Grattouren einsehen konnte. Einfach atemberaubend! Als wir nun wieder auf dem Zeltplatz eingetroffen sind, waren zwischenzeitlich sämtliche Hirsche (Gockel) eingetroffen.

Manch Einer wollte wohl noch am Nachmittag hinauf zur Pointe Helbronner, doch ich zog es vor, diesen Tag gemütlich ausklingen zu lassen. Gemütlich kochten wir Leckeres zusammen und beschlossen, in der Früh um halb Sieben mit der ersten Bahn von Courmayeur hinauf zu fliegen um den Dente del Gigante zu erklimmen. Also wieder, Gondelalpinismus! Von der Südseite her aber bei Weitem nicht so von Touristen überfüllt. Und dies Obwohl die Bahn viel moderner ist. 2015 eröffnet, drehen sich seither bei der 9m/s Auffahrt die Gondeln um ihre eigene Achse! Da mußt dann nicht mal mehr den Kopf drehen um in sämtliche Himmelsrichtungen zu klotzen. 110 Mio. Euro kostete dieses technische Wunderwerk. Eigentlich ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, was für Summen heutzutage für Fußballer ausgegeben werden. Auf der Pointe Helbronner (ca. 3460) angekommen, durch ein Tunnel- und Aufzugsystem mit dem Rifugio Torino und dem Schritt hinaus auf den Glacier du Geant verbunden, machten wir uns daran, dem Zahn des Riesen näher zu kommen. Der Weg ist nicht weit. Man quert das Gletscherplateau des Col du Geant unter den Aiguilles Marbes und steigt am Ende etwas steiler den Firnhang zum Sockel der Gengive des Dent du Geant hinauf. Sozusagen an dessen Zahnfleisch geht es dann, ohne zwingende Route über gestuften Fels, Blockgelände und Schottersteige hoch zum Frühstücksplatz, dem Ausgangspunkt der eigentlichen Kletterei zum ersehnten Gipfel. Wie sich herausstellte, fanden wir hier nicht den günstigsten Weg und waren in der Schusslinie des von der Seilschaft vor uns ausgelösten Steinschlags. Schläge abbekommen wichen wir dem aus und suchten unsere eigene, neue Linie, was in der Summe dann doch auch an den Nerven des Einen oder Anderen nagte. Nichtsdestotrotz setzten wir vom Frühstücksplatz aus dann den Aufstieg fort. Allerdings nur noch zu viert, die Gockel! Ellena wollte hier auf uns warten und die andere Seilschaft kehrte um. So konnten wir die gesamte Tour und den Gipfel für uns alleine genießen. Eine Seltenheit an diesem sonst recht überlaufenen Berg. Das lag wohl daran, daß ab dem Nachmittag schlechtes Wetter vorhergesagt war. Tatsächlich machte mich der Blick zum Himmel auch recht nervös, da ein Gewitter an diesem exponierten Berg eine Katastrophe wäre. Also Vollgas! Recht zügig erreichten wir dann auch den Gipfel, bestaunten die Blitzeinschläge an der Gipfelmadonna und machten uns alsbald an den Abstieg. Dieser Bestand aus viermaligem, zum Teil sehr luftigem Abseilen durch die überhängende Südwand, wo uns dann auch das Wetter erwischte und es anfing zu Graupeln. Wir hatten Glück! Das Gewitter blieb aus und der Regen, bzw. Schneefall hielt sich in Grenzen.

Meine Gedanken während dem Abstieg drehten sich dann viel um die Fortsetzung dieser Tour. Mir war beim Anblick des Rochefortgrates gleich bewußt, daß die Verhältinisse alles andere als optimal sind und mir diese Tour zu risikoreich sein wird. Nur mit größtem Aufwand würden die ausgesetzen Stellen auf dem Grat und in den aperen Flanken sicher begehbar sein. Der schlechte Winter zeigt seine Folgen und blankes Eis oder nur wenig Schneeauflage machten diese Tour für mich unverantwortlich. Doch wie soll ich dies den Männern beibringen ?? Es half nichts, meine Entscheidung auf den Verzicht stand fest und ich teilte ihnen einfach meine Gedanken mit. Ein wenig Enttäuschung machte sich doch breit beim Einen oder Anderen. Dennoch bin ich froh über diese Entscheidung und glaube, daß wir am Folgetag mit der Klettertour Velociraptor (6a) auf die Aiguille de Chatelet einen wunderschönen Abschluß dieser DAV-Gemeinschaftstour gefunden hatten. Es war eine herrliche Kletterei an Leisten, Rissen, über Platten und durch Verschneidungen. Alles was das Kletterherz höher schlagen läßt – und dies alles beim Anblick der drei oben genannten klassischen Grate auf den Monte Bianco. Die Männer machten sich dann am selben Abend noch auf nach Hause.

Ellena und ich fuhren nach einer weiteren Nacht auf dem Campingplatz noch ein Stück das Aostatal hinunter. Ins Valpelline, mit dem Gedanken, einen der entlegensten 4000er der Alpen zu besteigen. Den Dent d´Herens (4174 m).Schon allein der Hüttenzustieg zum Rifugio Aosta fordert mit seinen 14 Kilometern ein gewisses Durchhaltevermögen. Doch wir genossen die Ruhe und Einsamkeit in diesem versteckten Winkel der doch recht oft überlaufenen Alpen. Den Gipfel ließen wir dann sausen, denn die Vorhersagen waren wieder recht unsicher und die einzigsten Gäste auf der Hütte, ein italienischer Berführer mit seinen holländischen Kunden, wollten „nur“ auf den Tete de Valpelline und wir wären dann bei den eh schon schlechten Verhältinissen die einzigsten am Berg geswesen. Ein Traum zwar, doch manchmal muß man den Gipfel einfach Gipfel sein lassen und auf seine innere Stimme hören. Wieder einmal! Wie am Rochefortgrat. Doch dieses Mal wurden wir duch den Verzicht des Gipfels auf andere Weise belohnt. Wundervolle, nette Stunden verbrachten wir mit den zwei Brüdern Diego und Marco, welche die Aostahütte betreiben. Diese Bekanntschaft, ich will es schon Freundschaft nennen, erfüllt mich mehr als ein erreichter Gipfel. Somit kann ich als Gockel für mich dankbar für diese Tage sein, denn trotz dem „Federn lassen“ beim einen oder anderen Berg, fand ich hier tiefste Zufriedenheit. Fernab des schnellen Lebens, des Gondelalpinismus und des egobefriedigenden – nur der Gipfel zählt – Bergsteigens, wurde ich hierbei wieder geerdet und stieg voller Freude und Glückseeligkeit die selben verdammten 14 Kilometer wieder zurück ins Tal. Ohne Gipfel, dafür mit dem Schatz der Freundschaft!