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Nadelgrat

16.08.2009

Am Samstag Morgen, 15. August starten wir, zwei Alpinisten aus Loßburg und Dietersweiler, mit dem Ziel Kanton Wallis in der Schweiz. Genauer gesagt, es geht nach Saas Fee, einer Stadt in der es wie in Zermatt nur Elektroautos gibt. 

Da wir wie gewohnt früh losfahren kommen wir stressfrei in der geplanten Zeit im Parkhaus an. Es ist ein sehr heißer Tag und es wartet ein 1600 Höhenmeter Anstieg auf die 3320 m hoch gelegene Mischabelhütte.

Mischabel bedeutet übersetzt Mistgabel und ist eine Anspielung auf die Dreigestirn von Viertausendern Täschhorn, Dom und Lenzspitze, die wie eine Gabel von Saas Fee gesehen in den Himmel ragen.

Der Aufstieg zur Hütte in der brütenden Mittagshitze ist anstrengend und lang. Ich merke dass ich nicht wirklich fit bin, da ich mir am Donnerstag noch eine Erkältung eingefangen hatte. Die letzten Höhenmeter zur Hütte sind drahtseilversichert aber unschwierig. Die Hütte ist an diesem Wochenende brechend voll, der freundliche Hüttenwirt fragt uns gleich nach dem Ziel für den nächsten Tag. Auf meine Antwort „Lenzspitze über den Nordnordostgrat und wieder zurück“ entgegnet er „den Grat kann man nur hinaufgehen, der Abstieg geht nur über das Nadelhorn“. Na toll, das bringt unsere Tourenplanung schon gleich durcheinander, am ersten Tag wollten wir eine kürzere Akklimatisationstour machen.

Der Entschluss ist gefasst, wir starten am Sonntag die geplante Haupttour über den Nadelgrat. Die Verhältnisse sind gut, bei sternklarer Nacht starten wir um 3 Uhr 30 und können sogar noch das Frühstück in der Hütte mitnehmen. Wir sind beide hoch motiviert und es läuft gut, besser als der Anstieg zur Hütte. Mit Stirnlampen ist die Orientierung am Grat kein Problem und in der Ferne blinken auch schon einige Lampen. Die Felsen weisen noch eine leichte Eisschicht auf.

Als gegen 5:30 die Sonne aufgeht, zeigen sich die Walliser Berge in ihrer vollen Schönheit. Im Führer ist der Anstieg zur Lenzspitze mit G7, AD+ angegeben, Kletterstellen bis zum IV. Grad und daher ist die Tour nicht zu unterschätzen. Die Entscheidung des Vortags nur ein leichtes 50 m Halbseil mitzunehmen erweist sich als richtig, wir gehen den gesamten Grad am gleitenden Seil am doppelten Strang in Wechselführung. Ab etwa 3800 m legen wir die Steigeisen an. Dieser Anstieg macht richtig Spaß, der Fels ist überwiegend fest und im hartgefrorenen Traumfirngrat ist die eine Spur angelegt. Auch die Schlüsselstellen im IV. Grad sind problemlos – die Verhältnisse sind optimal. Links schauen Täschhorn und Dom zu uns herüber, diese Tour hatten wir ursrünglich ins Auge gefasst.

Am Gipfel der Lenzspitze (4294 m) treffen wir zwei Italiener, die die 55 Grad steile Nordost-Eiswand auf die Lenzspitze genommen haben und die letzten Meter im Fels rechts gequert sind. Sie stöhnen über die harte Tour – es gibt kaum eine Möglichkeit die Waden im Anstieg zu entlasten.

Weiter geht es auf dem Nadelgrat hinüber zum Nadelhorn, der wie ein Katzensprung aussieht, doch der Eindruck täuscht. Obwohl keine großen Höhenunterschiede überwunden halten die vielen „Gendarme“ am Grat doch etwas auf. Tobias und ich sind begeistert von der Tour, jetzt ist auch das Matterhorn zu sehen. Die Gratüberschreitung sit ebenfalls mit G7 bewertet und auf dem Gipfel des Nadelhorns (4327 m) erreichen wir das Dach der Tour.

Nun haben wir die Wahl zwischen der Verlängerung der Tour über Stecknadel- und Hohbärghorn zum Dürrenjoch oder dem Direktabstieg zum Windjoch. Da im Osten dunkle Wolken aufsteigen und wir die längere Tour zeitlich nicht bis zum Abendessen schaffen würden, entschließen wir uns für den Abstieg.

Vom Windjoch geht es heikel über fast blankliegende Gletscherspalten mit dünnen Schneebrücken und wir halten das Seil straff. Wir kommen ohne Spaltensturz bei der Mischabelhütte an und werden mit einem Abendessen belohnt.

Am Montag folgt der Abstieg nach Saas Fee und die Fahrt nach Hause – was bleibt ist die Erinnerung an eine super Tour im Wallis!

 

Tourengeher: Tobias de Jager, Oliver Mohrlok