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Weisshorn Nordgrat

08.12.2013

Am Samstag traf ich Jochen in Zinal, dem touristischen kleinen Ort im hintersten Teil des Val d’Anniviers auf 1670 m. In der Nachmittagssonne stiegen wir auf zur neu erbauten Cabane de Tracuit (3256 m). 

Das Wetter war gut vorhergesagt, eine durchgezogene Kaltfront hatte etwas Neuschnee und einen Temperatursturz von 15 °C in der Höhe gebracht, doch die Bedingungen für die geplante Tour sollten passen.

Gegen halb sechs am Abend erreichten wir die Tracuithütte und konnten schon einen Blick auf die ersten Meter der Aufstiegsspur des Turtmanngletschers Richtung Bishorn werfen.Die moderne Cabane de Tracuit erinnert im Innern wenig an eine urtümliche Berghütte, bietet aber komfortable Unterkunft für mehr als 100 Leute.

Die Nacht war kurz, um1:30 ging es im Licht der Stirnlampen über den Gletscher. Ein eisiger Wind begleitete unseren Aufstieg in sternklarer Nacht und so verweilten wir um 4:30 nur kurz am ersten Etappenziel, dem Gipfel des Bishorn (4153 m). Die Temperatur musste einiges unter dem Gefrierpunkt liegen, gefühlt gegen -10 °C.

Im guten Firn ging es hinunter ins Weisshornjoch (4058 m), wo der Anstieg zum Weisshorn ebenfalls mit einem Firngrat begann. In der Morgendämmerung wurden wir nun erstmals mit einem grandiosen Rundblick belohnt. Nun konnten wir im Aufstieg die Stirnlampen ausschalten, genau richtig zum Beginn der technischen Schwierigkeiten im Fels. Schwierige Klettermeter im Abstieg konnten durch zwei Abseilstellen, jeweils etwa 15 m umgangen werden, doch war die Kletterei angenehm und konnte am gleitenden Seil gemeistert werden. Im kombinierten Gelände kletterten wir den gesamten Grat mit Steigeisen. Die Schlüsselstelle der Tour stellte der untere Teil des Grande Gendarm (4331 m) dar, wo wir 3 Seillängen etwa im 4. Grad konventionell sicherten. Von hier aus ging es die restlichen Höhenmeter bis zum Gipfel über einen makellosen und scharfen Firngrat, von Westen wehte im Luv ein unangenehm stürmischer und eisiger Wind, der uns teilweise auf alle Viere zwang. Wie geplant erreichten wir nach 9 Stunden Aufstieg um 10:30 das Weisshorn (4506 m) und wurden Zeugen einer spektakulären Heli-Bergung eines entkräfteten Bergsteigers am Gipfel.

Die Freude war groß, auf diesem mächtigen Gipfel zu stehen, die Aussicht grandios – Matterhorn, Dent d’Héréns, Obergabelhorn, Wellenkuppe, Zinalrothorn, Schalihorn, die Mischabelgruppe mit Täschhorn, Dom, Nadelgrat und viele mehr…

Jedoch stand uns noch ein langer Abstieg über den Ostgrat bevor, den Normalanstieg auf das Weisshorn. Im obersten Teil erschwerten Blankeisstellen den Abstieg, die wir jedoch mit Eisschrauben entschärfen konnten. Im felsigen Abstieg vom Frühstücksplatz über die mittlere Rippe musste besonders vorsichtig abgestiegen werden, um keine Steine loszutreten, was durch vorausgehende langsame Seilschaften etwas erschwert wurde. Nach 16,5 Stunden erreichten wir die Weisshornhütte, eine urtümlichen kleinen Berghütte mit Waschbrunnen vor dem Haus. Geschafft war der Abstieg und auch eine großartige Tour auf einen der höchsten Berge der Alpen.

Oliver Mohrlok, Jochen Haizmann