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Besteigung der Aiguille Verte (4122 m) durch´s Whymper Couloir

02.03.2013

Recht früh letzten Samstag, und zwar um 4 Uhr, machten sich Jochen und ich auf nach Chamonix.

Im Kopf hatten wir eine Begehung der Aig. Du Jardin durch ein Couloir, dann die Überschreitung von Grande Rocheuse und weiter auf den Gipfel der Aig. Verte, von wo aus wir dann durch´s Whymper wieder absteigen wollten. Doch meistens kommt´s etwas anders!

In Chamonix angekommen lösten wir dann auch ziemlich schnell am Bahnhof ein Ticket für die altehrwürdige Zahnradbahn (eröffnet 1909) hinauf zum Montenvers (1913 m). Von hier ging´s dann erst mit Gondel und dann über Treppen ca. 200 Hm hinunter zum Mer de Glace, wo sich eine künstlich angelegte Eisgrotte befindet.

Auf dem Gletscher angekommen schnallten wir die Ski an und liefen, entgegen der bestimmt 200 Skifahrer welche von der Aig du Midi kommend den Gletscher abfuhren, das gemächlich ansteigende Mer de Glace hinauf. Links von uns immer die Petit Dru im Auge, wo man noch die Abbruchstelle der großen Felsstürze sehen konnte. Den kompletten Bonattipfeiler gibt’s einfach nicht mehr und mit dessen Abbruch ist auch ein Stück alpiner Geschichte gestorben. Bonattis sechstägiger Alleingang im Jahr 1955 über den Südwest-Pfeiler eröffnete damals neue alpine Dimensionen.

So ging es den Gletscher hinauf. Vor uns immer die Grandes Jorasses mit ihrer imposanten Nordwand. Ganz markant der Walker- und Crozpfeiler mit all den bekannten Eis, Mixed- und Felsrouten wie „Linceul“, „Colton – Mc Intyre“, oder eben die Klassiker über die Pfeiler.

Doch bei knallender Sonne und einem viel zu schweren Rucksack mußte ich mir schon bei diesem Aufstieg meine konditionelle Schwäche eingestehen. Mit viel Verspätung kam ich dann endlich auch am Biwak, der alten Hütte des Ref. Du Couvercle (2687 m) an. Dort kaum angekommen wurden wir dann Zeuge, wie zwei Bergsteiger vom Heli abgeholt wurden. Einer der Beiden hatte sich während der Besteigung der Aig. Verte die Finger verfroren, was mir so paradox vorkam, da ich doch bei der sengenden Hitze auf dem Gletscher von der Sonne regelrecht gebraten und ausgemergelt wurde.

Wir beschlossen dann, am nächsten Tag etwas zu ruhen und mit den Ski nur die etwa 800 Hm bis zum Bergschrund der Aig. Verte und Aig. du Jardin zu gehen, um uns die jeweiligen Couloirs und deren Einstieg anzusehen. Nachdem wir feststellten, dass die Rinne hinauf zum Sattel zwischen Jardin und Rocheuse noch nicht begangen wurde und auch noch recht viel Schnee drin lag, war klar, dass wir nur die Aig. Verte mit Auf- und Abstieg durch das Whymper-Couloir machen werden.

So machten wir uns dann am Montag Morgen kurz nach 3 Uhr auf den Weg, welcher durch unsere Inspektionstour vom Vortag auch bei Nacht sehr gut für uns zu finden war. Eine wunderbare Ruhe herrschte und die Konzentration sowie Gedanken lagen während dessen schon beim „Whymper“ – dieser Klassiker! Es war eine herrliche Stimmung, nur der Atem und das „einbeißen“ der Harscheisen war zu hören. Tausende von Sternen am klaren Himmel und der Mond über der dunklen Facette der Grande Jorasses.

Nach 3 ½ Std. waren wir dann pünktlich zum Sonnenaufgang am Bergschrund angelangt. Ski abschnallen, Steigeisen und Gurt anziehen, Geräte in die Hand und los ging´s. Die ersten 200 bis 300 Höhenmeter gingen ganz gut. Es war eisig und der Schnee gefroren, so dass die Geräte gut hielten. Doch spätestens nachdem wir vom Sekundärcouloir hinüberwechselten wurde die Schneeauflage immer weicher und tiefer. Bei zunehmender Sonneneinstrahlung und Wärme begann eine regelrechte Wuhlerei, zum Teil bis zur Hüfte durch den Schnee. Hier begannen wir dann auch gleitend zu Sichern, da wir nicht wußten ob der Hang hält und uns im schlimmsten Fall auf den insgesamt 600 Höhenmetern durch das Couloir nichts würde aufhalten im „Flug“ nach unten. Das Zwischensichern war an den eingerichteten, nicht vom Schnee verdeckten Abseilständen auch ganz gut möglich.

Angekommen am Col de la Grande Rocheuse eröffnete sich uns ein toller Anblick gen Norden und hinunter auf den Argentiére Kessel. Nun waren nur noch ca. 200 Hm, entlang dem Firngrat, hinauf zum Gipfel vor uns.

Recht erschöpft aber glücklich konnten wir eine sagenhafte Aussicht vom Gipfel genießen. Richtung Nordosten das Matterhorn, Dent Blanche und viele weitere walliser Riesen. Gegenüber den Mont Blanc, den Mont Blanc du Tacul mit seinem Teufelsgrat, die schöne Felsnadel des Dent du Géant und natürlich die Grande Jorasses.

Nach kurzer Pause machten wir uns an den Abstieg hinunter in den Sattel, von wo aus wir dann in 13 Abseillängen, an guten und nicht so guten, eingerichteten und improvisierten Abseilständen, zum Bergschrund abseilten. Die Abfahrt zum Biwak wurde dann nochmals zur Tortur, da mittlerweile schon wieder ein Harschdeckel auf dem Schnee war. Somit konnten wir mit dieser Abfahrt bestimmt keinen Preis gewinnen. Aber egal! Erleichtert, glücklich und zufrieden erreichten wir das Biwak und werden uns in Zukunft bestimmt noch oft von diesem schönen Erlebnis erzählen.